Rockpalast Archiv

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Rockpalast Essen

Nicht gerade ein gefundenes Fressen!

Es war eine Mordsgaudi, das kann man unumwunden sagen. Besonders, wenn man das Geschehen in der Essener Grugahalle unter dem Motto "Gebt dem Volk, wonach das Volk verlangt" betrachtet. Die J. Geils Band war wirklich g... (na, ihr wißt schon), Frau Smith war spektakulär, und Johnny Winter hatte den Blues - stundenlang.

Von J.S. und T.G.

  J.Geils Band

Betrachtet man das Rockpalast-Festival jedoch mit etwas kritischer Distanz, dann bleibt unter dem Strich nicht viel mehr als nur die Gaudi, und die ist - für ein Festival, das bemüht ist, sich von der Einheits-Fernseh-Musikberieselung abzuheben - leider ein bißchen zu wenig.

Daß in der Halle eine euphorische Stimmung herrschte, wundert niemanden, der weiß, daß sich über 9000 Menschen in ein für maximal 7000 konzipiertes Gebäude pferchen ließen. Und daß die drei Acts so vorbehaltlos bejubelt wurden, dürfte wohl eher etwas mit der musikalischen Diaspora-Situation von Essen und Umgebung zu tun haben. Denn: so geil war die J. Geils Band nun auch wieder nicht. Die Gruppe, der der wahre Erfolg bislang versagt geblieben ist, hat wahrlich schon bessere Tage gesehen und garantiert auch bessere Konzerte gegeben. Wenn wir nur an die paar Deutschland Gigs mit ELP und z.B., die FULL HOUSE-Live-LP erinnern dürfen. Der richtige R&B Biß der frühen siebziger Jahre (und der ersten LPs) läßt sich leider nicht mehr reproduzieren, geschweige denn, daß er sich spontan wieder einstellte. Und auch im Geils Lager war man anschließend - trotz aller Clownerien vor den Kameras - nicht gerade übermäßig happy.

Patti Smith - No more television Kult-Heroine Patti war dagegen schlichtweg grauenhaft. Wenn man so mit Dope vollgeknallt ist wie sie an diesem Abend, dann läßt sich selbst bei mikroskopischer Beobachtungsgabe das vielgerühmte Charisma nicht entdecken. So hatten ihre Jungs am Mischpult die strikte Anweisung, jeden ihrer Versuche, das Gitarrenspiel hörbar zu üben, per Regler sofort im Keime zu ersticken. Was Frau Smith aber nicht davon abhielt, es trotzdem (glücklicherweise vergeblich) zu versuchen. Zu hören hingegen bekam man ihren permanenten Nichtgesang, ihren Klarinetten Dilettantismus und ihre bedrohlich inkompetente Kapelle. Daß es Lenny Kaye von der Schreibmaschine weg zur Gitarre hinzog, ist ja durchaus zu verstehen, daß er aber mit seinem Genudel 9000 Leute in der Halle und Zigmillionen vor dem Bildschirm überzeugen wollte, hat dann doch eher was mit hochgradiger Selbstüberschätzung zu tun.  Wie aufgesetzt und kalkuliert die ganze Smith-Show war, bewies wohl am treffendsten der Drummer. Den zornigen jungen Mann mimend, kippte er sein Trommel-Arsenal derart gekonnt um, daß auch nicht ein Fell, nicht ein Ständer beschädigt wurde. Keith Moon dürfte im Grab rotiert haben.
 

Johnny Winter Tja, und dann noch good ole Johnny Winter, zwar endlich vom H runter, dafür aber voll auf dem Liebfrauenmilch-Trip drauf. Ob er so richtig gewußt hat, was er da abzog, muß bezweifelt werden, denn bei seinen Blues Bandwürmern wurde einem regelmäßig Angst und Bange, ob er auch das richtige Ende zur jeweiligen Marathon-Nummer noch im Kopf hatte. Und etwas kompetentere Begleiter als diesen Bulletten-mit-Pommes-Frites-Trommler und dem Humpa-Humpa-Bassisten hätte man ihm auch gegönnt.

Doch, wie gesagt, in Essen fiel all das auf fruchtbaren Boden; man genoß das Spektakel bis spät nach Fünf. In der Heimat hörte man jedoch von der Fernsehfront, daß so mancher sich "noch vor Patti Smith" oder "spätestens nach ihrem zweiten Titel" in die Federn begeben hatte. Daß Alan Bangs und Albrecht Metzger diesmal heil davonkamen, mag wohl auch daran gelegen haben, daß es nicht viel zu moderieren gab und sich die geplanten Interviews in spontane Parties auflösten.

Bleibt noch die etwas bittere Schlußbemerkung, daß die Rockpalast-Verantwortlichen ihr gewaltiges Potential auch diesmal (remember Gabriel, Butterfield, Lee?) wohl eher verschleudert haben. Denn zwei eher betagte Acts und eine Möchtegern-Combo machen bei Gott noch kein Festival aus. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn es nicht möglich wäre, endlich mal wieder einen wirklich überzeugenden Headliner (a la Seger, Springsteen, Parker etc.) und zwei hierzulande noch recht wenig bekannte Acts (a la Southside Johnny, Hermann Brood, Richart T. Bear, R.E.0. Speedwagon etc.) auf die Bühne der Gruga-Halle zu bekommen.


Von J.S. und T.G. © 1979

Sounds Juni 1979

Sounds Verlag Hamburg

Fotos Manfred Becker

Leider konnte ich J.S. und T.G., da ich nicht weiss wer sie sind und da es Sound nicht mehr gibt, nicht erreichen wegen der Rechte, ich hoffe Ihr habt nichts gegen die Veröffentlichung im Rockpalast Archiv!


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