Rockpalast Archiv

Sounds

Wie die Berseker

Es ist schon zum Mäusemelken: jede noch so abgenibbelte Hans Wurst-Combo hat in den letzten Wochen ein volles Haus gehabt, aber jetzt, wo gleich vier Leckerbissen auf einmal ins Haus stehen, macht der Druckerstreik Veranstaltern wie Bands einen ziemlichen Strich durch die Rechnung.

Von Jörg Gülden

Die Rede ist vom Rockpalast Festival, das am 14. und 15. März mit den Beserkley Bands Rubinoos, Greg Kihn, Earth Quake und Tyla Gang über die Hamburger Audimax-Bühne ging. (Das dritte Konzert am 17. März mit John Martyn und John Fahey soll hier, der Andersartigkeit der Musik wegen, mal außen vor bleiben.) Wie gesagt, es war ärgerlich, denn zwei solcher Packages wie Rubinoos plus Greg Kihn und Earth Quake plus Tyla Gang hätten wirklich mehr als nur rund 900 Besucher, respektive 600 am zweiten Abend, verdient, zumal Kihn und Earth Quake schon ein paar Wochen vorher, bei absolut ausverkauften Gigs im Pö, jede Menge Leute auf den Beserkley-Geschmack gebracht hatten. Aber solches Mißgeschick muß man wohl als höhere Gewalt bezeichnen.

Die Rubinoos - Spontane FrischeZur Sache: Die Rubinoos eröffneten am 14. den Konzertreigen fast pünktlich. Und das, obwohl sie wegen einiger widriger Transport-Umstände rund 24 Stunden von San Francisco nach Hamburg unterwegs gewesen waren. Doch Müdigkeit war ihnen wirklich nicht anzumerken. Gleich mit dem ersten Titel, dem alten Raspberries-Hit "Tonight", machten sie allen das Credo ihrer Musik klar, das da lautet: "mucho Pop & mucho Fun". O.K., vielleicht kamen ein paar Zuhörer der jüngeren Generation nicht gleich dahinter, was denn an diesen teilweise durchaus banalen Nümmerchen der vier zwanzigjährigen Jungs so aufregend sein sollte. Den Cognoscenti, sprich intimen Kennern der Garagen Band-Bewegung, jedoch leuchteten bei Titeln wie "Peek-A-Boo" oder J Think We're Alone Now" die alten Augen. Und auch die eigenen Werke der Rubinoos - so benannt nach Leadsänger John Rubin - hatten sowohl von der Thematik wie auch vom musikalischen her jene spontane Frische und den aufmüpfigen Humor, mit denen US-Bands vom Schlage der McCoys, der Turtles und der erwähnten Raspberries in den sechziger Jahren die Teenagerherzen eroberten. Wirklich schade, daß nicht alle in diesem Quartett die einzig wahre Alternative zu dem aufgesetzten Kling Klang der britischen Teenie-Weenie-Importe sehen konnten, aber bei manchen Leuten fällt der Groschen leider nur viertelpfennigweise. Beim nächsten Mal dürften die Rubinoos jedoch auf mehr offene Ohren stoßen, und vielleicht krieg' ich dann endlich auch ein paar der "dead babyjokes" zu hören, die Leadgitarrist Tommy Dunbar laufend erzählen wollte und nicht durfte.


Greg Khin - Singer/Songwriter auf der Grenze zwischen Pop und Rock Nach kurzer Umbaupause erschien dann der Headliner des heutigen Abends, Mr. Greg Kihn mit seiner Band. Von deren Güte hatten mir Freund und Feind schon Wochen vorher in den blumigsten Worten berichtet, und das nur, weil ich eben den vielgepriesenen Pö Auftritt nicht miterlebt hatte. Wohlan denn, verglichen mit den Rubinoos gehört Kihn musikalisch eher in die Heranwachsenden-Kategorie. Der Meister selbst - man könnte ihn im weitesten Sinne als Singer/Songwriter bezeichnen - schreibt hervorragende Nummern, die sich auf der Grenze zwischen Pop und Rock bewegen, und seine drei Mitarbeiter hinter ihm wissen das recht heavy zu untermalen. Ich meine, Kihns zwei LPs (die dritte muß jeden Moment rauskommen) sind in meinen Augen, na ja, nicht unbedingt die Meisterwerke schlechthin, sie machen aber manchen Klangmüll von heute vergessen, und außerdem kann man gut dazu tanzen und 'ne Menge anderer wichtiger Dinge tun. Mir war Leadgitarrist Dave Carpender 'nen Tick zu laut, aber das mag daran gelegen haben, daß ich leider fast direkt vor einer P.A.-Säule Platz nehmen mußte. Dafür konnte ich aber um so besser gucken, und mir und meiner Freundin fiel auf, daß der Bassist, Steve Wright mit Namen, hundertprozentig wie ... wie heißt der denn noch ? . . äh, wie Chris Roberts aussah und daß Larry Lynch, der Schlagzeuger, nicht nur ganz hervorragend trommelte, sondern dabei auch noch Armbewegungen machte, als würd'er Kohlen schippen. Wie gesagt, 'n bißchen laut war's ja, ansonsten aber fand ich Kihn richtig toll; prima Musik, keine blöden Showmätzchen, und sympathisch aussehen tut er obendrein auch noch. 

Am nächsten Abend dann war's wie gesagt noch leerer, was leider auch der guten Stimmung, die Earth Quake für meine Begriffe sonst zu verbreiten wissen, etwas Abbruch tat. An dieser Band schieden sich bereits einmal die SOUNDS-Geister; Commander Legath nämlich, der sich jetzt als frischgebackener Herausgeber erstmal aufs wohlverdiente Ruheteil begeben hat, reagierte recht unwirsch, als er die Band damals im Pö hörte. Ich hingegen fand, daß da die beste Rock'n'Roll-Band auf der Bühne stand, die wir, seit der "StarClub" für immer seine Pforten schloß, hier zu hören gekriegt hatten. Normalerweise ist's doch so, daß your average rock band dich zwei Stunden mit Hausgemachtem malträtiert und erst dann, wenn die Unersättlichen 'ne Zugabe erklatscht haben, die goodies a la "Johnny B. Goode" oder "Route 66" serviert. Anders Earth Quake. Die fangen mit solchen Nümmerchen an und legen dann im Laufe des Abends sogar noch 'nen Zahn zu! Im Audimax wollte sich leider, wohl mangels Masse, die Stimmung, die im Pö geherrscht hatte, nicht einstellen. Daß Earth Quake deswegen aber "nicht so gut" gewesen wären, kann man nicht behaupten. Allein schon im Bewußtsein dessen, daß draußen Beserkley-Boß Matthew King Kaufman im mobilen Studio jeden Ton mitschnitt und hier drinnen die WDR-Kameras auf sie gerichtet waren, gaben sie auch heute ihr Bestes. Also ich mag sie ... 

Tyla Gang - Knochenharter britischer BeatUnd dann gab's noch die Tyla Gang, Beserkleys erste britische Eroberung. Gang-Leader Sean Tyla, einstens mit Ducks Deluxe zu Beinaheruhm gelangt, schreibt ganz dufte Titel, nur Gesang ist ihm leider nicht so recht gegeben. Doch das machte seine Drei-Mann-Gang mit knochenhartem britischem Beat wieder wett. Bei "Walking The Dog" - da saß ich leider schon wieder an der Arbeit - sollen die Leute gar auf den Stühlen gestanden haben. Aber das und noch viel mehr werdet Ihr (ich auch) in den nächsten Monaten vom Kölner Rockpalast via TV in die gute Stube gesendet bekommen.

Bliebe noch das Resümee: Die Idee war gut, die Preise waren korrekt, die Bands sehens- und hörenswert, und die Akustik ließ auch nicht zu wünschen übrig. Und bevor man den armen Setzern und Druckern den schwarzen Peter verpaßt, sollte man sich stattdessen lieber Gedanken über die krummen Pfade des Herrn machen und dann inständig beten, daß ein solches Festival möglichst bald mal wieder über die Audimax-Bühne geht. Müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn auch dann wieder jemand versuchte, die Jünger von der schwarzen Kunst wegzurationalisieren!

Haltet also Augen (für die Fernsehaufzeichnung) und Ohren (für den LiveMitschnitt BEZERK TIMES) offen seid nett zu Druckern und Setzern und hört mal wieder 'ne Beserkley Platte. Wo die Bands wie die Berserkerrocken ...


Jörg Gülden

Sounds Mai 5/1978

Fotos Manfred Becker

Leider konnte ich Jörg Gülden, da es Sound nicht mehr gibt, nicht erreichen wegen der Rechte, ich hoffe er hat nichts gegen die Veröffentlichung im Rockpalast Archiv!


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