Eine eine Dekade in Rock
56 Bands gaben sich während der ersten Serie des Rockpalast zwischen
1977 und 1986 in der Essener Grugahalle die Ehre. Es gab viele Highlights
zu beklatschen, aber auch so manches Mal Anlaß, die Stirn in Falten zu
legen. Jürgen Brück wirft für die RPS einen Blick zurück.
23. - 24.07.1977
"German Television proudly presents..." Diese Worte sind im Laufe der
Zeit das Markenzeichen des Rockpalast und seines langjährigen Moderators
Albrecht Metzger geworden. Der erste Künstler, der auf diese Weise
angekündigt wurde, war niemand Geringerer als Rory Gallagher. Und der Ire
spielte, was das Zeug hielt. Nach dem Konzert meinte er, dies sei sein bis
dahin bester Auftritt überhaupt gewesen. (In der Folgezeit sollte es noch
viele Musiker geben, die sich ähnlich begeistert äußerten). Bewaffnet mit
seiner stets etwas angegammelt wirkenden Stratocaster, brachte er die
Grugahalle zum Kochen. Doch das Gallagher-Konzert war mehr als nur ein
fulminanter Auftakt für die Rocknächte, es begründete auch eine jahrelange
Freundschaft zwischen dem Rockpalast-Team und dem Musiker. Und so sollte
Gallagher so etwas wie ein Stammgast im Rockpalast werden.
Mit Little Feat ging es dann weiter. Auch die mark- und
beinerschütternde Frage zum Slide-Guitar-Spiel beim Interview vor dem
Konzert (is this difficult?") konnte der Spiellaune der Band nichts
anhaben - sie lieferte einen mitreißenden Set.
Und dann, nachdem die Umbaupause wieder recht lange gedauert hatte und
Peter Rüchel deswegen schon tausend Tode gestorben war, war es so weit:
Der Headliner für diesen Abend konnte angekündigt werden - Roger McGuinn's
Thunderbird. Der Gründer der Byrds sorgte mit seiner Formation für den
gebührenden Abschluß des Abends. Und auch bei ihm spielt eine Gitarre eine
ganz besondere Rolle: seine 12seitige Rickenbacker. Ihr Klang war es, der
den Sound der Band bestimmte und die Fans zum Schwärmen brachte. Da hielt
es auch den Little Feat-Perkussionisten Sam Clayton nicht mehr hinter der
Bühne, so daß er sich kurzerhand zum fünften Bandmitglied machte.
04.- 05.03.1978
Mother's Finest, Dickey Betts And Great Southern sowie Spirit bildeten
das Programm der zweiten Rocknacht. Dieser Abend bedeutete für Mother's
Finest den großen Durchbruch in Europa. Die Funk-Band aus den Vereinigten
Staaten legte einen dermaßen guten und energiegeladenen Auftritt hin, daß
sich am folgenden Montag die Plattenläden der Anfragen gar nicht mehr zu
erwehren wußten. Es hatte nur dieses einen Konzerts bedurft, bis mit "Baby
Love" ein neuer Feten-Klassiker gefunden worden war.
Dickey Betts,
der bis zu ihrem Auseinanderbrechen bei der Allmann
Brothers Band die Saiten gezupft hatte, war mit seiner neuen Combo Great
Southern angereist. Ganz im Geiste der großen Southern Rock-Bands
dominierte die Gitarre seine Musik - sehr zur Zufriedenheit des Publikums.
Und auch außerhalb der Bühne benahm man sich, wie es sich für wahre Rocker
ziemt. Weil er seinen Zimmerschlüssel vergessen hatte, trat der Bassist
Dave Godflies kurzerhand seine Hotelzimmertür ein - um sich wenig später
beim Portier zu beschweren, daß das Zimmer nun nicht mehr zu verschließen
sei.
Mit Spannung wurde der Auftritt von Randy California und Spirit
erwartet, und auch hier kann der Chronist wieder einen ganz besonderen
Höhepunkt vermelden. Nicht nur seine Version von "Hey Joe" war es, die
Californias Ruf, der beste lebende Gitarrist seiner Zeit zu sein,
untermauerte. Man gewann den Eindruck, daß dieser Mann eine Gitarre nur
anzuschauen brauchte, um ihr ein Solo zu entlocken, auf das mancher
Kollege mehr als stolz gewesen.
13. - 14.09.1978
Die Wartezeit bis zur nächsten Rocknacht dauerte nur ein halbes Jahr.
Mitte September 1978 ging man wieder aus Essen auf Sendung. Aber diesmal
war dennoch alles anders: Das Festival endete nicht erst am frühen Morgen,
sondern schon mitten in der Nacht und mündete in die Übertragung eines
Boxkampfes von Muhammad Ali. Und dennoch wurde auch dieses abgespeckte
Programm zu einem großen Ereignis. Peter Gabriel, der sich nicht allzu
lange vorher von Genesis getrennt hatte, hatte einen nicht unwesentlichen
Anteil am Gelingen dieser Nacht. In seinem Bemühen, sich vom Pomp
abzusetzen, den Genesis bis dato zelebriert hatten, gelang ihm ein sehr
schlichter, aber dafür umso intensiverer Auftritt.
Auch Paul Butterfield
warf an diesem Abend seine ganze langjährige
Erfahrung in die Waagschale und konnte besonders durch sein
Mundharmonikaspiel und seinen Gesang gefallen.
Akzente ganz anderer Art
vermochte Alvin Lee mit seinen Ten Years After
zu setzen. Im Vorfeld des Konzerts stellte er sich als große Diva heraus,
als es technische Probleme mit der Hallenanlage und Lees Gitarre gab. Die
Tonabnehmer des guten Stücks waren nicht genügend isoliert, und so
begleitete das Spiel der Band ein unschönes Brummen. Lee war jedoch nicht
bereit, sein Heiligtum aus der Hand zu geben oder gar etwas an ihm
verändern zu lassen. Wer das Konzert schließlich gesehen hat, weiß, daß es
schließlich keinerlei Probleme mehr gab. Und nur der Techniker des WDR
weiß, wie sie behoben worden waren. Lee jedenfalls, das steht fest, hatte
nichts dazu beigetragen.
21. - 22.04.1979
Die vierte Rocknacht geriet zu einem denkwürdigen Ereignis. Auf der
einen Seite gab es grandiose musikalische Darbietungen zu beklatschen,
andererseits war da der Auftritt von Patti Smith, die im Interview einen
persönlich ziemlich zerrütteten Eindruck hinterließ. So gelang es Alan
Bangs nicht, irgend etwas außer Klarinettentönen aus ihr
herauszuquetschen. Auf der Bühne jedoch brannte sie ein wahres Feuerwerk
ab und machte auch schnell klar, wer ihr Held des Abends war: "I'm very
proud to play here with Johnny Winter", betonte sie schon nach den ersten
Songs ihres Auftritts. Und so konnte man sie, wenn man gute Augen hatte,
auch während seines Konzerts im Publikum vor der Bühne abrocken sehen.
Eigentlich hatte Winter so ein richtig schön ruhiges Blues Konzert spielen
wollen. Aber manchmal kommt dann doch alles anders und ehe er sich's versah,
steckte er mitten in einem schweißtreibenden
Blues- und Rock'n'Roll-Set, der ihm aber sichtlich Spaß bereitete. Anders
ließen sich auch die diversen Zugaben, die er an diesem Abend gab, nur
schwer erklären.
Den Auftakt hatte die J. Geils Band bestritten. Mit ihrer
professionellen Einstellung ("Wir sind nicht gekommen, um das deutsche
Bier zu probieren, und auch nicht wegen der deutschen 'Frolleins'. Wir
sind gekommen, um für euch zu arbeiten!") und ihrer hervorragenden Musik
bildete die Band einen Einstieg in diese Nacht, wie er besser nicht hätte
sein können.
06. - 07.10.1979
Auch ein halbes Jahr später bekam das Publikum teilweise
schwerverdauliche Kost vorgesetzt. An diesem Abend zeichnete Mitch Ryder
für so einige Irritationen verantwortlich. Dabei war zunächst wieder alles
wie am Schnürchen gelaufen. Southside Johnny And The Asbury Jukes hatten
den Abend mit einem prima Gig eingeläutet. Als dann Nils Lofgren auf die
Bühne kam, gab es kein Halten mehr Der kleine Amerikaner bot seinem
Publikum Gitarrenakrobatik in jeder Hinsicht. Zu diesem Zweck hatte er auf
der Bühne ein Mini Trampolin installieren lassen, auf dem er mit größter
Begeisterung herumturnte. Und so sah man immer wieder einen Salti
schlagenden Gitarristen, der auch während seiner sportlichen Einlagen
nicht einen falschen Ton fabrizierte.
Dann schlug die große Stunde des Mitch Ryder, allerdings in vollkommen
anderer Weise als erwartet. Kurz vor dem Konzert hatte es schon Tumulte in
der Garderobe gegeben, und als der Manager den Streit schlichten wollte,
flog ihm eine Gitarre um die Ohren denkbar schlechte Voraussetzungen für
ein Konzert. Überhaupt schien sich Ryder an diesem Abend in der Rolle des
Monsters zu gefallen. So machte er im Interview vor dem Konzert
unmißverständlich deutlich, was ihn das Publikum da draußen so alles
könne. Die Stimmung war nun ein für allemal hin, und so geriet auch das
Konzert zu einer seltsamen Angelegenheit. Mitch Ryder gab sich arrogant,
und zwischen ihm und seiner Band schien eine unsichtbare Mauer zu stehen.
Daß die Geschichte dennoch gut ausging, nämlich mit einem hochklassigen
Gig, bemerkten die meisten Zuschauer erst viel später - bei der
Aufzeichnung der Höhepunkte am nächsten Tag.
19.- 20.04.1980
Die sechste Rocknacht sollte zum Triumphzug für eine bis dato in Europa
unbekannte texanische Formation werden -die Rede ist von ZZ Top. Als um
vier Uhr nachts die Fanfare ertönte, die damals jedes Konzert der Band
einleitete, wußte noch niemand so recht, was ihn erwartete. Doch kurz
darauf brachen die drei Texaner über die Grugahalle herein und lieferten
einen Bluesrock-Set ab, der den Zuschauern in den Ohren klingelte. Alles
an dieser Band wirkte imponierend: die langen Bärte, Billy Gibbons' Stimme
und nicht zuletzt die Energie, die das Trio auf die Bühne brachte (das
Konzert ist auf CD unter dem Titel WONDERFUL LEGS zu erhalten - aber fragt
nicht bei eurem Plattenhändler an der Ecke, der Gang über einen Flohmarkt
verspricht mehr Erfolg).
Eröffnet hatte den Abend die Blues Band. Sie zählte zu den Formationen,
die keine zehn Minuten benötigen, um den sprichwörtlichen Funken
überspringen zu lassen. Und so tobte die Halle schon am frühen Abend. Der
Blues Band folgte Joan Armatrading, die einen alten Bekannten mit nach
Essen gebracht hatte: Für den ehemaligen Little Feat-Schlagzeuger Ritchie
Hayward war der Auftritt mit ihr der zweite Besuch beim Rockpalast.
Schließlich wurde es Zeit für die Ian Hunter Band featuring Mick
Ronson. Dieses Konzert sollte als eines der lautesten in die Geschichte
des Rockpalast eingehen: Schon die recht hohe Anfangslautstärke schien lan
Hunter nicht zu reichen. Er forderte die Techniker ein ums andere Mal auf,
dem Affen Zucker zu geben und die Lautstärkeregler Richtung Maximum zu
schieben. Dabei wäre hier weniger mehr gewesen, denn das Konzert, das er
spielte, war hervorragend (wer es nachprüfen möchte, kann sich die
Doppel-Live-LP Welcome To The Club besorgen, die im großen und ganzen dem
Rockpalast Konzert entspricht). Trotzdem erntete er vom Hallenpublikum
mehr "Leiser!" Rufe als Szenenapplaus.
18.- 19.10.1980
Die siebte Rocknacht fand zu einem Zeitpunkt statt, als die dort
auftretenden Police noch den zweifelhaften Ruf einer besseren Teenie-Band
genossen. Aus der Kombination dieser Formation insbesondere mit den
nachher auftretenden Jack Bruce And Friends bezog das Konzert einen guten
Teil seiner Spannung.
Doch bevor man beurteilen konnte, ob das Konzept des Rockpalast-Teams
aufgegangen war, hatten noch Graham Parker And The Rumour ihren Auftritt
zu absolvieren. Im Vergleich zu dem, was an diesem Abend noch folgen
sollte, blieb Graham Parker aber leider etwas blaß, und so ist sein
Konzert schnell in Vergessenheit geraten. Dort wollen auch wir es dann
belassen, denn schlafende Hunde soll man schließlich nicht wecken.
Dann war es Zeit
für The Police, und die Halle tobte wie noch nie
zuvor, was sich besonders eindrucksvoll aus den im Takt der Musik
hüpfenden Fernsehbildern ersehen läßt. The Police räumten ab; alle Neune
für Sting und seine Kollegen.
Doch dann ging es mit Jack Bruce, Clem Clempson, David Sancious und
Billy Cobham erst richtig los. Was das Quartett bis in die frühen
Morgenstunden vor- und aufführte, kann man getrost als Lehrstunde im Fach
Rockmusik bezeichnen. Ganz im Gegensatz zu seinen Vorgängern, baute das
Quartett nicht auf simple und eingängige Rhythmen, sondern hier war
Rockmusik auf allerhöchstem Niveau angesagt. Jack Bruce And Friends
zeigten, zu welchen Leistungen vier gleichberechtigte Musiker auf der
Bühne imstande sind, wenn sie aufeinander losgelassen werden. Sicherlich
eines der Highlights in der Rockpalast-Geschichte.
28.- 29.03.1981
Mit großen Glanzlichtern ging es auch danach weiter. Die achte
Rocknacht war die einzige, bei der nur zwei Gruppen auftraten, die es aber
dafür in sich hatten: The Who und The Grateful Dead sind sicherlich zwei
Bands, wie sie verschiedener kaum sein könnten. Aber dennoch, oder
vielleicht auch trotzdem, wurde dieser Abend ein großer Erfolg. The Who
räumten als Opener kräftig ab. Die Band präsentierte sich in bester
Spiellaune und bot so etwas wie ein Best Of-Programm. Pete Townshend ließ
die Arme immer wieder in der für ihn typischen Manier wie Windmühlenflügel
über die Gitarrensaiten kreisen, Roger Daltrey wirbelte mit seinem
Mikrophon, daß es einem um die anderen Bandenmitglieder angst und bange
werden konnte, und John Entwhistle schien das ganze überhaupt nichts
anzugehen: The Who, wie man sie kennt und schätzt. Die Grateful Dead waren
mit ihrer ganzen Family angereist, in ihrem Troß befanden sich also auch
jede Menge Artisten und Gaukler. Im Rockpalast sollten sie einen
ausufernden Set spielen, der in zwei Teilen dargeboten wurde. In der Pause
waren es dann die Gaukler und Feuerschlucker, die das Publikum
unterhielten. insgesamt dauerte das Spektakel gut vier Stunden, was für
Dead-Verhältnisse noch recht kurz ist, doch auch so waren die Zuschauer am
Ende ziemlich mitgenommen.
17. - 18.10.1981
Bei der neunten Rocknacht waren wieder vier Bands am Start. Es sollten
vor allem zwei Auftritte sein, die im Verlauf des Abends für Furore
sorgten. Als dritte Band kamen Black Uhuru aus Jamaika auf die Bühne. Sie
hatten mit Robbie Shakespeare (Bass) und Sly Dunbar (Schlagzeug) eine der
besten Rhythmus-Sektionen mitgebracht, die man sich wünschen kann. Nach
dem Konzert waren sich die Fans und Kritiker einig: Das war Reggae, wie
man ihn hören wollte. Moderator Alan Bangs lief noch einige Zeit nach dem
Konzert mehrere Male tanzend durchs Bild.
Diesem Gig folgte dann der Höhepunkt des Abends: Roger Chaprnan And The
Shortlist. Chappo und seine Musiker zeigten ein phantastisches Konzert
voller Energie und Spielfreude. Das Publikum ließ sie auch erst endgültig
von der Bühne, als die Musiker so erschöpft waren, daß sie nicht mehr
weiterspielen konnten.
Als Wegbereiter für die beiden Highlights fungierten die Undertones und
Mink DeVille, wobei erstere ganz eindeutig zur positiven Überraschung des
Abends avancierten. Leider hörte man später nicht mehr viel von ihnen. Der
Auftritt von Mink DeVille hinterließ beim Publikum zwiespältige Gefühle.
Auf der einen Seite bot die Band musikalisch ein anspruchsvolles und
ansprechendes Programm. Doch andererseits war da Willy DeVille, Frontman
der Formation. Sein distanziert-kühles Verhalten auf der Bühne konnte
einem schon ganz schön zu schaffen machen.
03. - 04.04.1982
Schneller, als es den meisten vorkam, war es Zeit für ein kleines
Jubiläum geworden. Die zehnte Rocknacht sollte gefeiert werden. Hierfür
hatte man sich drei Acts ausgesucht: Rick James, Van Morrison und die
Kinks.
Mit Rick James hatte man den im Vorjahr wohl wichtigsten schwarzen
Musiker aus den Vereinigten Staaten verpflichten können. Er war mit einem
vielköpfigen Ensemble erschienen und hatte einen Bandnamen gewählt, der
dieser Tatsache gerecht wurde: Rick James And The Stone City Band With The
Mary Jane Band And The Punk Funk Horns. Obwohl sein Auftritt musikalisch
bisweilen brillant ausfiel, fiel er gegenüber den folgenden ein wenig
ab.
Schon der nächste Künstler, Van Morrison, ließ James Darbietung nahezu
in Vergessenheit geraten. Obwohl er auch bei seinem Rockpalast-Auftritt
seiner Eigenart, sich dem Publikum gegenüber eher distanziert zu
verhalten, treu blieb, gelang es Morrison allein durch seine Anwesenheit
auf der Bühne, die Zuschauer in seinen Bann zu ziehen. Auch sein Konzert
kann zu den unvergessenen Höhepunkten der Übertragungen aus Essen gezählt
werden.
Zum Abschluß dieses Abends hieß es dann noch einmal: kräftig abrocken.
The Kinks spielten ein Best Of-Programm, das - sehr zur Freude des
Publikums - keinen der 'Klassiker' vermissen ließ.
16. - 17.10.1982
Die nächste Rocknacht zeigte wieder einmal, welche Chance ein Auftritt
in diesem Rahmen für einige Musiker darstellte. Kid Creole And The
Coconuts hieß die Band, die diesmal den Durchbruch schaffen sollte. Der
Rockpalast diente als Auftakt für eine längere Tour. Nach dem Auftritt
mußten die Konzerte von Kid Creole in viermal größere Hallen verlegt
werden, so groß war die Nachfrage nach Tickets geworden. Es war auch mehr
als 'nur' ein Konzert, was Kid Creole an diesem Abend zu bieten hatte: Die
Band spielte eine perfekt durchorganisierte Show, die an jeder Stelle
stimmte. Dabei war es gar nicht einfach, die Grugahalle in dieser Nacht
auf seine Seite zu bekommen. Kid Creole spielte als letzte von drei Bands,
und sowohl Little Steven And The Disciples Of Soul, die die Show eröffnet
hatten, als auch Gianna Nannini hatten mit famosen Konzerten die Meßlatte
hoch angelegt.
17. - 18.04.1983
Das Frühjahr 1983 sah wieder einmal eines dieser denkwürdigen
Rockpalast Festivals, bei deren Planung das WDR Team viel Mut zum Risiko
bewiesen hatte. Einzig mit dem Opener, Dexys Midnight Runners, bewegte es
sich auf sicherem Boden. Mit "Come On Eileen" hatte die Band einen
Megaseller zu verzeichnen und konnte fest mit der Begeisterung des
Publikums rechnen. Tatsächlich versetzte ihr grundsolider Set die Halle in
Hochstimmung.
Es folgte Joe Jackson, der auf einer zehnmonatigen Welttournee Station
in der Grugahalle machte. Sein Konzert war u.a. deshalb schon mit Spannung
erwartet worden, weil Jackson angekündigt hatte, ohne Gitarristen zu
erscheinen. Das war für eine Rockband durchaus merkwürdig. Noch
verwunderlicher erschien es einigen Kritikern später, daß man den
Gitarristen dank der großartigen Band, die Jackson begleitete, überhaupt
nicht vermißt hatte. Alle waren mit dem Konzert hochzufrieden - bis auf
den Meister selbst, dem die Publikumsreaktionen nicht enthusiastisch genug
erschienen. So gab es gegen Ende des Auftritts doch noch leichte Mißtöne,
als er sich über zu wenig Applaus für seine Percussion-Spielerin
beschwerte.
Den Abschluß der Nacht bildete ein Gig, wie es ihn im Rahmen des
Rockpalast bis dahin noch nicht gegeben hatte. Das Konzert von King Sunny
Ade and His African Beats mit ihren Talking Drums stieß auf sehr
zwiespältiges Echo: Entweder verließ man die Halle (respektive schaltete
den Fernseher aus), oder man war begeistert.
15. - 16.10.1983
Mit Bryan Adams, Elvis Costello And The Attractions und Cheap Trick
ging es dann im Herbst des Jahres in die dreizehnte Runde. Der Kanadier
Bryan Adams war von seinem Auftritt selbst dermaßen begeistert, daß er
sich dem Rockpalast brieflich sofort wieder für die nächste Veranstaltung
zur Verfügung stellte. Und man soll es nicht glauben: Das, was Adams anno
1983 zu bieten hatte, war die perfekte Rock-Show. Zu diesem Zeitpunkt war
er noch nicht vom vielversprechenden Stadion-Rocker zum Pop-Bürschchen
mutiert.
In seinem Gefolge hatte es Elvis Costello, der nicht zur Augen
zu-und-durch-Fraktion im Rockbusiness zählt, mit seiner intelligenten
Musik recht schwer. Er mußte sich erst die Aufmerksamkeit des
aufgeputschten Publikums wieder erkämpfen, und es spricht für die Qualität
seiner Darbietung, daß das schließlich auch funktionierte.
Als letzten Act an diesem Abend gab es dann wiederum Musik zum
Ausflippen. Cheap Trick heizten noch einmal kräftig ein. Hier war es
besonders der Gitarrist Rick Nielson, der immer wieder für Staunen sorgte.
So führte er an diesem Abend seine neueste Eigenentwicklung auf dem
Gitarrensektor vor: eine Gitarre mit fünf Hälsen (die übrigens auf dem
Cover der aktuellen CD abgebildet ist).
13. - 14.10.1984
Auch die vierzehnte Rocknacht begann mit einer Band, die zum Zeitpunkt
der Ausstrahlung gerade schwer angesagt war: Huey Lewis And The News. Die
Band hatte gerade eine Reihe von Charterfolgen zu verzeichnen, und so fiel
es ihr nicht schwer, die nötige Stimmung herzustellen. Mit Chalice gestattete sich der Rockpalast mal wieder einen Ausflug in
den Reggae, und auch hier zeigte sich, daß derartige 'Experimente'
durchaus eine Bereicherung der Rocknächte darstellen konnten. Die auf
Chalice folgenden Level 42 hatten den Höhepunkt ihrer Karriere eher
überschritten, als sie in der Grugahalle auftraten. Und irgendwie wirkte
ihr Konzert auch seltsam farblos.
Aber vielleicht lag das auch am unmittelbar folgenden Auftritt von John
Cale. Bei ihm weiß man ja nie so ganz genau, wie er sich auf der Bühne
präsentieren wird. An diesem Abend jedenfalls 'verschonte' er sein
Publikum mit irgendwelchen Exzessen (keine Hühner mußten ihr Leben
lassen), doch er spielte ein sehr aggressives Programm, das irgendwo
zwischen Rock und Punk angesiedelt war. Es war sicherlich ein Konzert, das
nicht den Geschmack der großen Masse traf, aber wer bereit war, sich auf
den Musiker und seine Stimmungen einzulassen, kam auf seine Kosten.
30. - 3 1.03.1985
Mit dieser Frühjahrsrocknacht deutete sich langsam an, daß dem
Rockpalast die Puste ausging. Erstmals war die Übertragung eines Konzerts
aus den USA mit ins Programm aufgenommen worden. Schaffte es der
Rockpalast nicht mehr, selbst genügend gute Bands zu verpflichten? Die
Übertragung aus Syracuse jedenfalls sollte eigentlich den abschließenden
Höhepunkt dieser Rocknacht darstellen: The Artist Afterwords Known As
TAFKAP Prince, wurde die Ehre zuteil, live auf eine Großleinwand in der
Grugahalle projiziert zu werden. So gut Prince sich auch präsentierte
-diesen Programmpunkt hätte man sich sparen können. Denn der vorhergehende
Live-Teil konnte schon genug überzeugen: Wolf Maahn und die Deserteure
spielten, was das Zeug hielt, und durften wohl als die positive
Überraschung des Abends gelten. Ihnen folgten Paul Young And The Royal
Family, die sich den eher ruhigen Tönen verschrieben hatten. Allerdings
wirkte das Konzert über weite Strecken etwas langweilig.
Al Jarreau, der als Dritter auf die Bühne kam, ließ seine Vorgänger
aber schnell vergessen. Es war nicht nur seine Stimmbandakrobatik, die
immer wieder für Applaus auf offener Szene sorgte, auch seine Band konnte
sich Höchstnoten erarbeiten. Eigentlich wäre sein Auftritt ein gelungener
Abschluß dieser Nacht gewesen...
19.- 20.10.1985
Auch dem Programm der 16. und somit vorletzten Rocknacht der ersten
Serie merkte man an, daß diese Sendung in den letzten Zügen lag. The
Armoury Show, Squeeze, die Rodgau Monotones und Ruben Blades Y Seis Del
Solar sollten die Nacht zum Tag machen. Doch so recht wollte es keiner der
Bands gelingen, den schalen Beigeschmack zu vertreiben. Ein wenig Stimmung
kam lediglich bei den deutschen Vertretern der Zunft, den Rodgau Monotones
auf, und wenn eine Spaß-Rock-Kombo die einzige ist, die Akzente zu setzen
vermag, verheißt das für die Zukunft nicht viel Gutes.
15. - 16.03.1986
Und so kam es, wie es kommen mußte: In dieser Nacht flimmerte die
vorerst letzte Rocknacht über die Bildschirme. Den Auftakt des Festivals
in der Grugahalle bestritten die Mitte der 80er Jahre schwer angesagten
Big Country (ihr Konzert wurde im Fernsehen als letztes übertragen, da die
Veranstaltung schon vor Sendebeginn begonnen hatte). Ihnen folgte ein
Auftritt von Jackson Browne. Hier wurden noch einmal Erinnerungen an die
gute alte Zeit wach, wuchs Herr Browne doch an diesem Abend über sich
selbst hinaus.
Den Kölschrockern von BAP war es vorbehalten, zehn Jahre
Rockmusikgeschichte zu beenden. Auch Niedecken und Co. zogen bei ihrem gut
zweistündigen Auftritt alle Register ihres Könnens und sorgten so für den
würdigen Abschluß einer Sendereihe, die schon lange zum Kult geworden war,
aber leider nicht mehr ins Konzept der WDR Oberen paßte, als die
Einschaltquoten zurückgingen. Das Musikvideo hatte die erste Runde im
Kampf um die Gunst der Zuschauer und somit auch der Verantwortlichen
gewonnen.
Wolfgang Niedecken beendete das Konzert mit einem flammenden Plädoyer
für den Rockpalast und dem Ausruf: "Rockpalast darf nicht sterben!" Jetzt,
mehr als zehn Jahre später, wissen wir, daß der Rockpalast gar nicht
gestorben ist, sondern nur einen Dornröschenschlaf gehalten hat.
Im dritten Teil unserer Reihe wollen wir uns die zweite Serie der
Rockpalast-Festivals etwas näher ansehen und den Fragen nachgehen, was
sich konzeptionell verändert hat und ob der Rockpalast auch zur
Jahrtausendwende noch in die Medienlandschaft paßt.